Wir sind zwei sprechbegeisterte Sprachwissenschaftler und tagtäglich wandeln wir auf den Pfaden der Sprache: Wir erkunden, legen frei und manchmal verirren wir uns. Da der Weg das Ziel ist, wagen wir uns in alle Winkel der Sprachwissenschaft. Von unseren wechselseitigen Ausflügen erzählt alle zwei Wochen der eine dem anderen - und ihr könnt mitkommen. Ein Podcast von Anton und Jakob.
In der 10. und letzten Folge unserer ersten Staffel geht es um das Deutsche als Männersprache. Dass das so ist, hat Luise F. Pusch bereits in den 80er Jahren festgestellt und seitdem hat sich zum Glück einiges getan. Aber nicht nur das moderne Deutsche kann als Männersprache verstanden werden, auch die historischen Sprachstufen des Deutschen waren Männersprachen. Besonders augenscheinlich wird das daran, wie das Deutsche Frauen bezeichnet und wie sich diese Bezeichnungen im Laufe der Jahrhunderte verändert haben. Worte ändern nämlich über die Zeit nicht nur ihre Form (z.B. entwickelt sich aus *frouwa* unsere *Frau*), sondern auch ihre Bedeutung. Um nicht durcheinanderzukommen, setzt man in der Sprachwissenschaft die Bedeutung eines Wortes in 'einfache Anführungszeichen'. Was früher 'Dame' bedeutet hat, ist heute ganz neutral *Frau*. Aus dem Wort, das früher 'Frau' bedeutet hat, wurde *Weib*. Die *Magd* bedeutete früher 'Mädchen', die *Dirne* war mal eine 'Dienerin', davor sogar einfach ein 'Mädchen'. Alle diese Worte verschlechtern nach gesellschaftlichen Maßstäben ihre Bedeutung auf irgendeine Art und Weise. Wie kommt es zu diesr sogenannten Pejorisierung bei Frauenbezeichnungen? Und warum verschlechtern sich parallele männliche Bezeichnungen nicht? Der *Mann* bleibt der 'Mann' und der *Herr* der 'Herr'. Die Antwort ist eigentlich keine Überraschung und leider immer noch Realität in unserer und vielen anderen Gesellschaften.___Ein Podcast von Anton und Jakob. Instagram: https://www.instagram.com/sprachpfade ___Wissenschaftliche LiteraturBeate Hennig (1991): „Von adelmüetern und züpfelnunnen. Weibliche Standes- und Berufsbezeichnungen in der mittelhochdeutschen Literatur zur Zeit der Hanse“, in: Barbara Vogel, Ulrike Weckel (Hg.): Frauen in der Ständegesellschaft. Leben und Arbeiten in der Stadt vom späten Mittelalter bis zur Neuzeit, Hamburg, S.117-146.Rudi Keller (1995): „Sprachwandel, ein Zerrspiegel des Kulturwandels?“, in: Karl-Egon Lönne (Hg.): Kulturwandel im Spiegel des Sprachwandels, Tübingen/Basel, 207–218.Birgit Kochskämper (1999): ‚Frau‘ und ‚Mann‘ im Althochdeutschen (Germanistische Arbeiten zu Sprache und Kulturgeschichte 37), Frankfurt a.M. u.a.Werner König, Stephan Elspaß, Robert Möller (2015): dtv-Atlas Deutsche Sprache, 18. durchgesehene und korrigierte Aufl., Grafiken von Hans-Joachim Paul, München. (Schaubilder aus der Folge: S. 22 und S. 112)Damaris Nübling (2011): „Von der ‚Jungfrau‘ zur ‚Magd‘, vom ‚Mädchen‘ zur ‚Prostituierten‘. Die Pejorisierung der Frauenbezeichnungen als Zerrspiegel der Kultur und als Effekt männlicher Galanterie?“, in: Jahrbuch für Germanistische Sprachgeschichte 2.1, S.344-362.Luise F. Pusch (2023): „Das Deutsche als Männersprache. Diagnose und Therapievorschläge“, in: dieselbe: Das Deutsche als Männersprache. Aufsätze und Glossen zur feministischen Linguistik (Edition Suhrkamp Neue Folge 217), 15. Auflage, Frankfurt a.M., S.46-68.Fürs kleine Lesen:Kap. „5.1.5 Bedeutungsverschlechterung (Pejorisierung)“ und Kap. „5.4 Erste Fallstudie: Pejorisierung der Frauenbezeichnungen“, aus: Damaris Nübling, Antje Dammel, Janet Duke, Renata Szczepaniak (2017): Historische Sprachwissenschaft des Deutschen, 5. aktualisierte Auflage, Tübingen, S.147-148 und S.163-167.Zitate aus der Presse:Ronen Steinke (06.09.2020): „Antisemitismus in der Sprache. Da schwingt was mit“, in: taz online, URL: (27-02-2024).Der Tagesspiegel (06.03.2023): Interview „Lisa Paus: ‚Wir leben nach wie vor im Patriarchat‘“, Website des BMFSFJ, URL: < https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/aktuelles/reden-und-interviews/lisa-paus-wir-leben-nach-wie-vor-im-patriarchat--222218> (27-02-2024).Alle Bücher ausleihbar in deiner nächsten Bibliothek! ___Gegenüber Themenvorschlägen für die kommenden Ausflüge in die Sprachwissenschaft und Anregungen jeder Art sind wir stets offen. Wir freuen uns auf euer Feedback! Schreibt uns dazu einfach an oder in die DMs: anton.sprachpfade@protonmail.com oder jakob.sprachpfade@protonmail.com ___ Artwork und Musik von Elias Kündiger https://on.soundcloud.com/ySNQ6
Erschienen: 28.02.2024
Dauer: 00:56:11
Weitere Informationen zur Episode "1.10 Die Geschichte des Deutschen als Männersprache"
Die letzten Wochen waren geprägt von den Auswirkungen des geheimen Treffens bei Potsdam, bei dem nicht weniger als die Remigration – also die Aussiedlung nicht-deutscher Bevölkerung besprochen wurde. Neben Rechtsextremisten und Rechtsradikalen waren dabei auch Politiker:innen und gesellschaftliche Vertreter:innen dabei, die die Brisanz des perfiden Treffens nochmals verschärfte. Dies galt für uns als ein Anlass, gestützt von euren Themenvorschlägen, uns mit dem Wort „Remigration“ auseinanderzusetzen und uns die Strategien und Merkmale der Sprache der Neuen Rechten anzuschauen. Von dort aus untersuchen wir, wie die Neue Rechte durch gezielte Sprachwahl versucht, ihre Ideologien zu verbreiten und ihre politischen Ziele zu erreichen. Von der bewussten Verwendung bestimmter Begriffe bis hin zur Manipulation von Emotionen durch Sprache – wir decken die vielfältigen Techniken auf, die dabei zum Einsatz kommen.Dafür schauen wir auch in die Vergangenheit und besprechen, was Philosophen und Wissenschaftler wie Le Bon, Klemperer, Adorno und Habermas mit dem politischen Sprachgebrauch und der Sprache der Rechten zu tun haben. Schalte dich ein, um mehr über die Sprache der Neuen Rechten zu erfahren und herauszufinden, wie wir sie durch bewusste Sprachreflexion und -gestaltung kontern können. Begebe dich mit uns auf diesen Spannenden und aktuellen Sprachpfad! Ein Podcast von Anton und Jakob. Instagram: https://www.instagram.com/sprachpfade ___ Literatur:Adorno, Theodor Wiesengrund & Volker Weiss. 2019. Aspekte des neuen Rechtsradikalismus: ein Vortrag. Berlin: Suhrkamp.Habermas, Jürgen. 2022. Ein neuer Strukturwandel der Öffentlichkeit und die deliberative Politik. Berlin: Suhrkamp.Klemperer, Victor & Elke Fröhlich. 2020. LTI: Notizbuch eines Philologen (Reclam Taschenbuch Nr. 20624). [Nachdruck] 2023. Ditzingen: Reclam.Le Bon, Gustave. 2018. Psychologie der Massen. (Trans.) Rudolf Eisler. 17. Auflage. Hamburg: Nikol Verlag.Lobin, Henning. 2021. Sprachkampf: wie die Neue Rechte die deutsche Sprache instrumentalisiert. Berlin: Dudenverlag.Niehr, Thomas. 2021. Politolinguistik – Bestandsaufnahme und Perspektiven. In Heidrun Kämper & Albrecht Plewnia (Hrsg.), Sprache in Politik und Gesellschaft, 1–16. De Gruyter. Zugriff über: https://ids-pub.bsz-bw.de/frontdoor/deliver/index/docId/10882/file/Niehr_Politolinguistik_2022.pdf.Rota, Andrea. 2013. Victor Klemperer: LTI (1947). In Handbuch Nachkriegskultur, 304–307. Berlin, Boston: De Gruyter.Rummel, Marlene. 2017. Brisantes Suffix?: zum Gewicht von “-ling” im Konzept des “Flüchtlings” (Sprache, Literatur, Kommunikation – Geschichte und Gegenwart 10). Gießen: Gießener Elektronische Bibliothek.Alle Bücher ausleihbar in deiner nächsten Bibliothek! Links:https://correctiv.org/aktuelles/neue-rechte/2024/01/10/geheimplan-remigration-vertreibung-afd-rechtsextreme-november-treffen/https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/verfassungsschutz-afd-sachsen-rechtsextremistisch-100.html#:~:text=Der%20sächsische%20Verfassungsschutz%20hat%20den,Landesverband%20mit%20einer%20solchen%20Bewertung.https://www.ndr.de/kultur/buch/Remigration-ist-Unwort-des-Jahres-2023,unwortdesjahres140.htmlhttps://www.bpb.de/themen/rechtsextremismus/dossier-rechtsextremismus/500801/neue-rechte/https://www.deutschlandfunk.de/alles-fuer-deutschland-thomas-niehr-ueber-die-normalisierung-von-ns-begriffen-dlf-0bbb6eb9-100.htmlhttps://www.deutschlandfunk.de/kommunikationsstrategien-rhetorik-afd-neue-rechte-100.htmlhttps://www.netzwerk-courage.de/wp-content/uploads/2023/05/Handreichung_AchtungszeichenNeueRechte_SAX.pdfhttps://www.zeit.de/zett/politik/2017-05/gewalt-beginnt-im-kopf-die-sprache-der-rechten-im-netzhttps://www.deutschlandfunk.de/alles-fuer-deutschland-thomas-niehr-ueber-die-normalisierung-von-ns-begriffen-dlf-0bbb6eb9-100.htmlhttps://www.deutschlandfunk.de/kursiv-klassiker-die-sprache-des-dritten-reiches-entlarvt-100.html___ Gegenüber Themenvorschlägen für die kommenden Ausflüge in die Sprachwissenschaft und Anregungen jeder Art sind wir stets offen. Wir freuen uns auf euer Feedback! Schreibt uns dazu einfach an oder in die DMs: anton.sprachpfade@protonmail.com oder jakob.sprachpfade@protonmail.com ___ Grafiken und Musik von Elias Kündiger https://on.soundcloud.com/ySNQ6
Erschienen: 14.02.2024
Dauer: 00:56:17
Beeinflusst die Sprache, die wir sprechen, die Art und Weise, wie wir denken? Sapir, Whorf und zahlreiche andere Linguist*innen sagen: ja! Aber wie ließe sich so ein Einfluss feststellen? Und wie stark soll dieser Einfluss sein? Seit circa 100 Jahren gibt es die Sapir-Whorf-Hypothese, die aber in ihrer reinen Form längst schon keine Anhänger*innen mehr hat außer in der Fiktion.Ein Podcast von Anton und Jakob. Instagram: https://www.instagram.com/sprachpfade Twitter/X: @sprachpfade Mastodon: @sprachpfade@mastodon.social ___ Weiterführende Literatur: Lera Boroditsky (2003): Artikel „Linguistic relativity“, in: Lynn Nadel (Hg.): Encyclopedia of cognitive science, London: Macmillan, S. 917-922.Norbert Fries (2016): Artikel „Sapir-Whorf-Hypothese“, in: Helmut Glück, Michael Rödel (Hg.): Metzler Lexikon Sprache, 5. aktual. u. überarb. Aufl., Stuttgart: Metzler, S. 582.Basel Al-Sheikh Hussein (2012): „The Sapir-Whorf Hypothesis Today“, in: Theory and Practice in Language Studies 2.3, S. 642-646.Woraus Jakob zitiert hat:Edward Sapir (1921): Language. An Introduction to the Study of Speech, New York: Harcourt, Brace & Co.Die erwähnte Studie zu die Brücke/el puente und der Schlüssel/la llave:Lera Boroditsky, Lauren A. Schmidt, Webb Phillips (2003): „Sex, syntax and semantics“, in: Dedre Gentner, Susan Goldin-Meadow (Hg.): Language in Mind. Advances in the Study of Language and Thought, Boston: MIT Press, S. 61-79.Veröffentlichungen von Paul Kay, der zur Sapir-Whorf-Hypothese, Sprachrelativismus und speziell Farben forscht.Alle Bücher ausleihbar in deiner nächsten Bibliothek! ___ Gegenüber Themenvorschlägen für die kommenden Ausflüge in die Sprachwissenschaft und Anregungen jeder Art sind wir stets offen. Wir freuen uns auf euer Feedback! Schreibt uns dazu einfach an oder in die DMs: anton.sprachpfade@protonmail.com oder jakob.sprachpfade@protonmail.com ___ Grafiken und Musik von Elias Kündiger: https://on.soundcloud.com/ySNQ6
Erschienen: 03.01.2024
Dauer: 01:03:40