Podcast "Auf den Tag genau"

Der Podcast mit täglich einer Zeitungsnachricht aus der Welt vor hundert Jahren

Aus dem Kiez in die Welt, von der Oper in den Boxring – mit täglich einer Zeitungsnachricht aus der Hauptstadtpresse heute vor 100 Jahren tauchen wir ein in die Fragen und Debatten, die das Berlin von 1920 bewegten. Halte dich informiert und bleib auf dem Laufenden über eine Welt, die uns heute doch manchmal näher ist, als man meinen möchte.
Mit Dank an Andreas Hildebrandt und Anne Schott.

Podcast-Episoden

Ivan Goll: Was ist Kunst?

4. Juni 1923

Paris war auch noch in den 20er Jahren zweifelsfrei die Stadt der künstlerischen Avantgarden. In diesem Gewimmel aus Galerien, Theatern, Cafés, Salons und Varietés bewegte sich auch der damals dreißigjährige jüdisch deutsch-französische Dichter Ivan Goll, der seine Werke auf Französisch, Deutsch und Englisch verfasste. Offensichtlich schrieb er neben seinen, von der Tendenz dem Expressionismus zugerechneten Gedichtzyklen, hin und wieder für Berliner Zeitungen, denn wir stoßen auf ihn im Berliner Börsen-Courier vom 4. Juni 1923. Dort stellt er die zeitlose Frage danach, was eigentlich „Kunst“ sei. Bei seinem Antwortversuch spielen auch eine Automobilausstellung und neueste Entwicklungen des Rundfunks eine Rolle. Paula Rosa Leu begibt sich mit ihm auf der Suche nach der wahren Kunst.

Erschienen: 04.06.2023
Dauer: 00:05:46

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Der Film von morgen

3. Juni 1923

Eine rekurrente Stimme im Bezug auf den Entwicklungsstand der vergleichsweise jungen Kunstform Film lautete Anfang der Zwanziger, dass der Film noch nicht wirklich zu einer Kunst gereift sei und noch der Entwicklung dorthin bedürfte. Den Autor unseres heutigen Artikels, der mit dem Kürzel F.O. signiert, nervte diese bildungsbürgerlich abschätzige Haltung dem Film gegenüber gehörig. Für die Berliner Börsen-Zeitung vom 3. Juni 1923 rezensiert er eine Sachbuch-Neuerscheinung mit dem Titel „Der Film von morgen“. Nachdem er etwas Dampf abgelassen hat, widmet er sich aber auch den Aufsätzen des Bandes, die ihn positiv überrascht haben. Frank Riede navigiert uns durch den Film von morgen vor 100 Jahren. An einer Stelle, wenn es um die Ansprüche an die Wandelbarkeit der Filmschauspieler geht, wird eine rassistische Bezeichnung verwendet, die richtiger Weise nicht mehr zu unserem aktiven Wortschatz gehört.

Erschienen: 03.06.2023
Dauer: 00:10:54

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Über die Hinrichtung Albert Leo Schlageters

2. Juni 1923

Der ehemalige Weltkriegssoldat und Freikorpskämpfer Albert Leo Schlageter zählte im Dritten Reich neben Horst Wessel und Wilhelm Gustloff zu den großen NS-Märtyrerfiguren. Als er im Mai 1923 wegen Spionage und mehrerer Sprengstoffanschläge im besetzten Ruhrgebiet von einem französischen Militärgericht zum Tode verurteilt und hingerichtet wurde, war er zwar kein ‘ordentliches‘ NSDAP-Mitglied, entstammte aber exakt jenen Milieus, aus denen jene in den Folgejahren zunehmend ihre Funktionäre und Schlägertrupps rekrutierte, und gehörte auch der NSDAP-Tarnorganisation Großdeutsche Arbeiterpartei an. Die Hinrichtung Schlageters war in den Folgetagen in den deutschen Zeitungen insgesamt kein übergroßes Thema. Berichtet wurde über die Personalie aber schon, und zumal in der rechts-nationalen Presse finden sich bereits hier deutliche Spuren der Verklärung der Person Schlageters. So auch in der Deutschen Allgemeinen Zeitung, deren Nachruf am 2. Juni von der Bewertung seiner Freischärler-Umtrieben im Baltikum bis zum unterstellten Verrat durch die Kommunisten schon bemerkenswert nah am späteren NS-Narrativ formuliert und mit einer düsteren, sich leider tatsächlich später erfüllenden Prophezeiung schließt. Es liest Paula Rosa Leu.

Erschienen: 02.06.2023
Dauer: 00:07:42

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Einwanderung nach Kanada und Australien

1. Juni 1923

Über die Auswanderungsbewegung aus Deutschland nach Südamerika war gelegentlich in unserem Podcast bereits die Rede. Doch wie stellte sich die Lage in Nordamerika dar? Der Autor Otto Corbach führt uns in der Vossischen vom 1. Juni 1923 in die komplizierte Situation Kanadas ein, das offensichtlich mehr Auswanderung in die USA zu verzeichnen hatte, als es neue Einwanderer:innen aufnahm. Der Journalist Corbach lebte in den 20ern als freier Autor in Berlin, hatte aber vorher aus Asien berichtet und sich während der russischen Revolution in Odessa aufgehalten. Daher galt er als jemand, der die ganze Welt im Blick hatte. Da passt es nur ins Bild, dass im heutigen Artikel neben Kanada auch Australien thematisiert wird. Frank Riede lässt uns über den Globus steifen.

Erschienen: 01.06.2023
Dauer: 00:12:33

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Ein Ausflug nach Schloss Paretz

31. Mai 1923

Die jung verstorbene preußische Königin Luise, gebürtig aus dem Hause Mecklenburg-Strelitz, Ehefrau von Friedrich Wilhelm III. und als solche u.a. Mutter des späteren Kaisers Wilhelms I., wurde bereits zu Lebzeiten auf in der preußischen Geschichte einzigartige Weise verehrt und nach ihrem Tod geradezu mythisch verklärt. Anno 1923 lag ihr Ableben schon weit mehr als ein Jahrhundert zurück, dennoch wirkt der sogenannte ‘Luisenkult‘ auch noch in dem kleinen, leicht-frühsommerlichen Text nach, den Marie von Bunsen für das Berliner Tageblatt vom 31. Mai auf einem Ausflug nach Schloss Paretz verfasst hat. Eher als schlichtes Landhaus denn als prunkvolle Residenz von Friedrich Wilhelm in Auftrag gegeben, wurde dieses von ihm nach dem Tod Luises 1810 kaum mehr aufgesucht und von seinen Nachkommen in Angedenken an die Eltern in keiner Weise verändert, so dass der Trip ins beschauliche Havelland, vor einhundert Jahren wie heute, in mancherlei Hinsicht eine Zeitreise darstellte. Angetreten wird sie für uns von Paula Rosa Leu.

Erschienen: 31.05.2023
Dauer: 00:06:20

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Hitler inszeniert seine Auftritte

30. Mai 1923

Die Begeisterung Hitlers für die Oper und insbesondere für das Werk Richard Wagners ist allseits bekannt. Auch wurde bereits oft festgestellt, wie sehr Hitler seine Auftritte inszenierte und dabei auch seine Erfahrungen aus den Opernhäusern einflossen. Wurde jedoch schon 1923 dieser Aspekt des „Theatralen“ von den Journalisten, die die Veranstaltungen der NSDAP in Bierkellern und Brauhäusern besuchten, beobachtet? Erkannten sie, wie mit den Erwartungshaltungen des Publikums gespielt wurde und wie diese in die Inszenierung integriert wurden? Mit unserem heutigen Artikel aus dem 12-Uhr-Blatt vom 30. Mai, der einen Korrespondentenbericht eines Wiener Journalisten abdruckt, können wir diese Fragen mit „Ja“ beantworten. Er betrachtet einen Abend im Hofbrauhaus vor der Folie einer Theateraufführung – kommt aber zu einer verharmlosenden Erkenntnis, wenn es darum geht, was für ein Genre denn eigentlich gespielt wird. In den wörtlichen Zitaten aus Hitlers Rede finden sich rassistische Beleidigungen, die wir dem Text getreu wiedergeben, uns aber von diesen, wie auch der Verfasser des Artikels selbst und Frank Riede, der diesen für uns liest, schärfstens distanzieren.

Erschienen: 30.05.2023
Dauer: 00:10:48

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Ein japanisches Restaurant in Berlin!

29. Mai 1923

Wie tiefgreifend sich unser Essverhalten im Laufe der letzten beiden Generationen verändert und namentlich das Restaurantangebot internationalisiert hat, wird schlagend deutlich, wenn man sich vor Augen führt, dass das angeblich älteste italienische Restaurant Berlins, das Portofino auf der Kantstraße, gerade einmal seit dem Jahr 1964 besteht. Ob die 1920er Jahren im Bereich Pizza und Pasta bereits Vorgängereinrichtungen kannten, entzieht sich bis auf weiteres unserer Kenntnis. Was wir hingegen mit einem Artikel aus der B.Z. am Mittag vom 29. Mai 1923 definitiv belegen können, ist die Existenz eines japanischen Restaurants in der Neuen Winterfeldtstraße in Schöneberg! Sich dem Vernehmen nach eher an Expats richtend und entsprechend hinter einer grauen Berliner Fassade versteckend, fand Autor Christian Bouchholtz dennoch hin und erlebte eine faszinierende kulinarische und kulturelle Weltreise. Für uns auf großer gastro-historischer Tour: Frank Riede.

Erschienen: 29.05.2023
Dauer: 00:12:59

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Kugelsichere Westen für die Berliner Kripo

28. Mai 1923

Tombstone. Westernmythos. Das “shoot-out” am OK Coral vom Oktober 1881, bei dem in 30 Sekunden 30 Schüsse fielen, produzierte eine Menge Wunden. Der Arzt George Goodfellow behandelte diese und es fiel ihm auf, dass Seiden-Taschentücher und -Halstücher nicht von den Kugeln penetriert wurden. Aus einer ähnlichen Erkenntnis heraus produzierte der polnische Immigrant in den USA Casimir Zeglen in Chicago eine Schutzweste aus Seidenfasern und schuf damit den Vorläufer unserer heutigen kugelsicheren Westen, die nun auch Langwaffenmunition abhält. Irgendwo dazwischen steht die Anschaffung der ersten Panzerwesten durch die Berliner Kriminalpolizei im Jahre 1923, von der der Vorwärts am 28. Mai berichtet. Paula Rosa Leu führt uns ein in die neuesten technischen Entwicklungen bei der Polizei.

Erschienen: 28.05.2023
Dauer: 00:05:34

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Das Leithammel-Motiv

27. Mai 1923

Eine der wohl zeitlosen Regeln des Film- und man muss wohl auch sagen: des Fernsehbetriebes besteht darin, dass finanziell Erfolgreiches so lange wie nur möglich reproduziert und kopiert wird wie es nur geht. Es ist diese Regel, die Formate rund um die Welt wandern lässt und uns die gefühlt 1000ste Comic-Superheldenverfilmung aus Hollywood beschert. Der Autor des heutigen Artikels aus der Berliner Börsen-Zeitung vom 27. Mai 1923, der Regisseur Paul Ludwig Stein nennt diese Regel „Leithammel-Motiv“ und macht sich über sie lustig. Frank Riede liest.

Erschienen: 27.05.2023
Dauer: 00:06:11

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Guided Tour ins verruchte Berlin

26. Mai 1923

Der Tourismus zählt längst zu den wichtigsten Einnahmequellen Berlins, und gerade hier an der Spree sind es nicht in erster Linie die klassischen Bildungsreisenden, die in die Stadt strömen. Entsprechend diversifiziert haben sich mittlerweile auch die Angebote an Guided Tours, die nicht länger nur Paläste, Kirchen und Museen im Sortiment haben, sondern die Fremden wahlweise auch die gruseligen oder verruchten Seiten der Großstadt näherzubringen verheißen. Dass auch diese Programme, mal wieder, keine ganz neue Erfindung sind, entnehmen wir der B.Z. am Mittag vom 26. Mai 1923, in der Egon Jacobsohn der Versuchung nachgibt, sich durch das ‘dunkle Berlin‘ führen zu lassen. Um am Ende, so will es scheinen, statt dem Laster zu frönen freilich doch nur in eine klassische Touristenfalle getappt zu sein. . Immerhin, eine Heizdecke hat er sich nicht aufschwatzen lassen. Begleitet hat ihn bei diesem Nepp Paula Rosa Leu.

Erschienen: 26.05.2023
Dauer: 00:11:37

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