Der Podcast mit täglich einer Zeitungsnachricht aus der Welt vor hundert Jahren
Aus dem Kiez in die Welt, von der Oper in den Boxring – mit täglich einer Zeitungsnachricht aus der Hauptstadtpresse heute vor 100 Jahren tauchen wir ein in die Fragen und Debatten, die das Berlin von 1920 bewegten. Halte dich informiert und bleib auf dem Laufenden über eine Welt, die uns heute doch manchmal näher ist, als man meinen möchte.
Mit Dank an Andreas Hildebrandt und Anne Schott.
19. September 1924
Die Sommerurlaubszeit ist schon eine Weile vorbei, in der wir uns durch überfüllte Bahnhöfe geschoben haben, um im Idealfall rechtzeitig mit dem Zug davon zu rauschen. 1924 hob, wie man anhand unseres Podcasts zeigen kann, der Luftverkehr ab, und die PKWs verbreiteten sich auch in Windeseile. Der Anteil der Bahn am Gesamtverkehr war aber nach wie vor ungleich höher, als wir uns das heute vorstellen können. Der Hamburgische Correspondent schildert in seiner Ausgabe vom 19. September einen Aufenthalt auf dem Hamburger Hauptbahnhof und macht sich Gedanken darüber, was sich verbessern ließe. Rosa Leu präsentiert uns diese Ideen für einen funktionaleren und entspannteren Bahnhof.
Erschienen: 19.09.2024
Dauer: 00:07:52
Weitere Informationen zur Episode "Wie kann man den Hamburger Hauptbahnhof verbessern?"
18. September 1924
Da sage noch einer, Hamburg habe erst mit der Elbphilharmonie zu einem anspruchsvollen klassischen Konzertkalender gefunden. Fjodor Schaljapin galt zu Lebzeiten als größter Sängerstar der Opernwelt, Bruno Walter Anfang der 1920er Jahre als einer wichtigsten aufstrebenden Dirigenten weit und breit, und Ossip Gabrilowitsch war nicht nur der Schwiegersohn von Mark Twain, sondern auch ein gefeierter Pianist. Sie alle gastierten im September 1924 binnen weniger Tage in Hamburger Raum bzw. landeten zumindest in einer Konzertumschau in den Altonaer Neuesten Nachrichten vom 18. des Monates, die zwar nicht immer akribisch Ort und Orchester listet, aber durchaus von Sachkunde und Enthusiasmus gekennzeichnet ist. Frank Riede stürzt sich mit uns ins hanseatische Musikleben.
Erschienen: 18.09.2024
Dauer: 00:08:22
Weitere Informationen zur Episode "Klassische Musik-Stars in Hamburg"
17. September 1924
Der Verlust seiner Kolonien wurde in Deutschland auch sechs Jahre nach dem Ersten Weltkrieg noch intensiv betrauert. Die wirtschaftlichen Konsequenzen waren das eine; noch schwerer wog, zumal in nationalen Kreisen, aber wohl der Verlust an Reputation, der sich damit verband. Vom Völkerbund hatte man das Zeugnis, nicht mehr zu den „fortgeschrittenen Nationen“ zu gehören, denen die alten deutschen Kolonien eben mit dieser Begründung als Mandate anvertraut worden waren, sogar schriftlich. Mit weniger echter Empörung, als vielmehr vor allem Genugtuung registrierte man hierzulande entsprechend alle Nachrichten, die die neuen Herren in ein schlechtes Licht rückten. Solche kamen 1924 unter anderem aus dem vormals deutschen „Schutzgebiet“ Neuguinea, wo sich die neuen, australischen Herrscher offenbar auch nicht humaner verhielten. Inwieweit die Ortsnamen, die der Artikel aus dem Hamburger Fremdenblatt vom 17. September nennt, korrekt wiedergegeben sind, ließ sich nicht in allen Fällen ermitteln. Es liest Frank Riede.
Erschienen: 17.09.2024
Dauer: 00:08:06
Weitere Informationen zur Episode "Australische Kolonialverbrechen in Neuguinea"
16. September 1924
Die Arbeit an Auf den Tag genau ist voller überraschender Funde im Zeitungsarchiv. Mal sind es Aspekte der Artikel, die uns so unerreichbar fremd vorkommen, mal reiben wir uns die Augen und sind uns sicher, dass die Texte, sprachlich leicht aktualisiert, auch heute in der Zeitung stehen könnten. Aber eine sich immer wieder bestätigende überraschende Erkenntnis unserer Lektüren besteht darin, wie oft und wie breit in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts, Jahrzehnte vor dem Bericht des Club of Rome, über die Endlichkeit der Ressourcen und der fossilen Energieträger nachgedacht wurde. Oft sind es dann Zeitungstexte über erneuerbare Energiequellen, und auch im Hamburgischen Correspondenten vom 16. September 1924 werden Wasserkraft, Wind- und Sonnenenergie erwähnt, es geht aber primär um die Endlichkeit des Eisens. Wie soll sich die Gesellschaft entwickeln, wenn die Vorräte an Eisenerz erschöpft sind? Was könnte an die Stelle treten? Rosa Leu geht diesen Fragen nach.
Erschienen: 16.09.2024
Dauer: 00:06:16
Weitere Informationen zur Episode "Wenn das Eisen erschöpft sein wird"
15. September 1924
Wir betrachten ganz selbstverständlich die Zeit der Weimarer Republik als Zwischenkriegszeit und müssen dagegen ankämpfen, sie zu sehr nur von dieser Warte aus zu betrachten – etwa mit diesem Podcast. Zugleich saß die drastische Erfahrung des 1. Weltkriegs sehr tief und das Schreckensszenario eines 2. Weltkrieges lag im Bereich des Möglichen, was die Weimarer Republik zu einer Zwischenkriegsphase machen würde. Im Hamburger Echo vom 15. September 1924 fasst das Blatt eine Publikation des Generals Freiherr von Schoenaich zusammen, der seit 1922 Mitglied der Deutschen Friedensgesellschaft war und pazifistische Positionen vertrat. „Vom vorigen zum nächsten Krieg“ sollte mit einer Schilderung dessen, wie grausam der nächste Krieg werden könnte, einen solchen Krieg verhindern. Frank Riede liest.
Erschienen: 15.09.2024
Dauer: 00:10:14
Weitere Informationen zur Episode "Vom vorigen zum nächsten Krieg"
14. September 1924
Der römische Schriftsteller Titus Livius, ein Zeitgenosse Julius Cäsars und des Augustus ist vor allem bekannt für seine „Ab urbe condita“, die Geschichte Roms, die in 142 Bänden die 700 Jahre, seit der mythischen Gründung der Stadt, schildert. Eine Bekanntheit, die auch ganz regelmäßig die Schüler*innen im Lateinunterricht zu spüren bekamen – seltener vielleicht heute noch bekommen. Der Schriftsteller und Journalist Ferdinand Grauthoff, geboren 1871 in Lübeck, war nicht nur ein Zeitgenosse von Thomas Mann, sondern auch sein Mitschüler. Bekannt wurde er für das 1905 veröffentlichte Buch „1906 und der Zusammenburch der Alten Welt“, in dem er einen künftigen Weltkrieg schildert, der in letzter Konsequenz zum Bedeutungsverlust Europas führt. Im Hamburger Fremdenblatt vom 14. 9. 1924 schreibt er eine Erinnerung an seine Schulzeit und die Bedeutung, die die vielen Bücher des Livius für den Werdegang der Mitschüler spielten – oder nicht spielten. Thomas Mann kommt dabei allerdings nicht vor. Den Einfluss des Livius auf dessen Werk muss also noch erforscht werden. Auf die Lübecker Schulbank von vor 135 Jahren setzt sich mit uns Rosa Leu.
Erschienen: 14.09.2024
Dauer: 00:09:21
Weitere Informationen zur Episode "Livius fürs Leben lernen"
13. September 1924
Arnold Schönberg gilt als Begründer der Zweiten Wiener Schule und als einer der Väter der „Neuen Musik“. Dass er auf eine solche historische Bedeutung zusteuerte, war bereits zu Lebzeiten absehbar, weshalb auch die gehobene Hamburger Presse seinen 50. Geburtstag am 13. September 1924 zum Anlass ausführlicher Würdigungen nahm. Der österreichische Musikwissenschaftler Carl Johann Perl gratulierte im Hamburger Anzeiger, ließ den Werdegang des Jubilars Revue passieren – nicht ohne die zahlreichen Widerstände und Anfeindungen, denen Schönberg sich bis dahin ausgesetzt sah, zumindest anzudeuten – und plauderte ein wenig aus dem Nähkästchen persönlicher Gespräche. An Arnold Schönbergs heutigen 150. Geburtstag erinnert für uns Fran Riede.
Erschienen: 13.09.2024
Dauer: 00:11:47
Weitere Informationen zur Episode "Arnold Schönberg zum (1)50."
12. September 1924
Vor einer Woche sprachen wir in unserem ersten Akademiegespräch mit dem Wissenschaftshistoriker Cornelius Borck auch über die Rolle, die Magnus Hirschfeld und sein Institut für Sexualwissenschaft gespielt hat. (Falls sie die Folge noch nicht gehört haben – unbedingt nachhören.) Dass in der Breite eine langsame Enttabuisierung stattgefunden hat, bezeugt unser heutiger Artikel aus dem Hamburger Anzeiger vom 12. September 1924, der die erste Sexualberatungsstelle Deutschlands in Hamburg besucht. So fortschrittlich solche Einrichtungen gewesen sein mögen, ist es aus heutiger Sicht irritierend, was alles unter der Bezeichnung „Perversion“ beschrieben wird. Auch die Text positive Rekurrenz auf Prinzipien der Eugenik mag heute überraschen, da uns bewusst ist, was für Verbrechen im Namen der Eugenik geschehen sind. Rosa Leu liest.
Erschienen: 12.09.2024
Dauer: 00:09:28
Weitere Informationen zur Episode "Sexualberatungsstellen in Hamburg"
11. September 1924
Die skandinavischen Länder galten lange als sozialdemokratische Musterstaaten und sind bis heute bekannt für ihr Wohlfahrtsstaatmodell sowie ihre ambitionierte, egalitäre Bildungspolitik. Die Wurzeln dessen reichen tatsächlich zurück bis in die 1920er Jahre; seit 1920 amtierte in Schweden erstmals eine sozialdemokratische Regierung, seit 1924 auch in Dänemark. Erste Bildungsministerin in diesem Kabinett von Thorvald Stauning war die Publizistin Nina Bang, deren Pläne im Bereich der Schulpolitik man auch in Deutschland mit Interesse verfolgte. Dass man die Voraussetzungen für eine ehrgeizige Reformen gerade in diesem Feld damals eher widrig waren, die Schulaufsicht in weiten Teilen Dänemarks gar noch bei den Kirchen lag, erfahren wir in einem Artikel des Hamburger Echo vom 11. September 1924, der dafür eine journalistische Form wählt, welche heute zwar sehr beliebt ist, seinerzeit aber noch eher ungebräuchlich war: das Interview. Sowohl die Fragen, als auch die Antworten liest für uns Rosa Leu.
Erschienen: 11.09.2024
Dauer: 00:07:37
Weitere Informationen zur Episode "Nina Bang - Ein Gespräch mit der dänischen Bildungsministerin"
10. September 1924
Die prekäre Nähe zur imperialen Großmacht Russland prägt die Situation Georgiens seit Jahrhunderten. Die sich den Wirren der Februar- und der Oktoberrevolution verdankende Unabhängigkeit einer Demokratischen Republik Georgien war nur von kurzer, nicht einmalxdreijähriger Dauer. Bereits im Februar 1921 hatte die Rote Armee die ehemalige Provinz am Schwarzen Meer wieder annektiert, womit der Widerstand der Georgier jedoch keineswegs gebrochen war. Im Sommer 1924 kam es zu einem wochenlangen Aufstand gegen die sowjetische Besatzung, die der als Statthalter installierte Georgier Josef Stalin jedoch blutig niederschlagen sollte. Das Hamburger Echo hat in seinem Bericht vom 10. September bereits eine Ahnung von dieser Entwicklung und schließt mit einer noch allgemeineren, denkwürdigen Prognose: „ Die Stunde der Befreiung Georgiens wird schlagen, wenn die Demokratie in Rußland siegen wird. Bis dahin aber wird das verzweifelte georgische Volk im Kampfe noch viele Opfer bringen müssen.“ Es liest Frank Riede.
Erschienen: 10.09.2024
Dauer: 00:10:46
Weitere Informationen zur Episode "Der Volksaufstand in Georgien"