Wir erforschen was mit Medien.
Der Podcast des Hans-Bredow-Instituts für Medienforschung.
Mit dem Digital Services Act der Europäischen Union müssen große Online-Plattformen künftig Zugänge für die Wissenschaft anbieten. Ein potenzieller Meilenstein für die Medienforschung. Jan Rau und Vincent Hofmann erklären, worauf es jetzt ankommt.
Online-Plattformen sollen transparenter werden. Das ist eines der Ziele des Digital Services Act (DSA, Gesetz über digitale Dienste), des bislang ambitioniertesten EU-Rechtsakts der Plattformregulierung. Er wird ab Februar 2024 vollständig anwendbar sein und von der Forschung mit Spannung erwartet. Denn: Der DSA sieht als zentrale Maßnahme für Anbieter von sehr großen Online-Plattformen (monatlich 45 Mio. aktiver Nutzer*innen) die verpflichtende Einführung sogenannter „Forschungsdatenzugänge“ vor. Ein potenzieller Meilenstein für die Forschung zu zentralen Phänomenen im Kontext digitaler Medien – beispielsweise Desinformationen, gesellschaftliche Polarisierung oder auch dem digitalen Rechtsextremismus. Risikominimierung im demokratischen Sinne „Der Gesetzgeber geht davon aus, dass große Online-Plattformen bestimmte Risiken für die Demokratie bergen, die er mit stärkerer Regulierung minimieren will“, sagt der Jurist Vincent Hofmann. Mit „Risiken“ sind zum Beispiel die Verbreitung von rechtswidrigen Inhalten gemeint, digitale Gewalt, Gewalt gegen Minderheiten oder die Gefährdung von Kindern und Jugendlichen. „Hier setzt auch der Forschungsdatenzugang an. Alles, was Forschende mit Plattformdaten herausfinden wollen, muss sich auf diese Risiken beziehen, um sie auf lange Sicht besser verstehen und besser minimieren zu können.“ Forschung mit Plattformdaten muss also auf ein bestimmtes, demokratisches Ziel einzahlen. Andere Forschungsvorhaben, wie zum Beispiel Marktforschung mit Daten aus Online-Plattformen, werden also nicht möglich sein. Meilenstein für die Forschung Forschende erwarten die neue Regelung mit Spannung. „Vor allem in meinem Bereich, der Erforschung des digitalen Rechtsextremismus, könnte der DSA vieles verändern“, erzählt Jan Rau. „Bislang war es manchmal durchaus frustrierend als Forscher zu wissen, man könnte wahnsinnig interessante Forschungsfragen beantworten, wenn man bloß an die Daten käme. Die Daten waren ja immer schon da, man bekam sie nur nicht, weil die Plattformen nicht kooperierten.“ Forschungsdatenzugänge, wie sie sein sollten Damit die Forschungsdatenzugänge, wie sie der DSA vorschreibt, nicht zum Papiertiger verkommen, sondern sie der Forschung optimal nützen, müssen einige Dinge berücksichtigt werden. „Das fängt damit an, dass man einen Überblick darüber bekommen muss, welche Daten es überhaupt gibt“, sagt Jan Rau. „Hilfreich wäre ein öffentliches Repositorium, das auflistet, welche Daten erfolgreich abgefragt werden können und welche nicht. Außerdem sollte das Datenvolumen, das abgefragt werden kann, nicht oder nicht stark begrenzt sein. Was die abzufragenden Daten konkret betrifft, wäre es hilfreich, wenn wir Forscher*innen Einsicht bekämen in beispielsweise die Reichweite bestimmter Postings und,die Moderationsentscheidungen der Plattform. Wichtig zu wissen wäre auch, ob und wie die Plattform bestimmte Inhalte pusht und auf welcher Grundlage.“
Erschienen: 25.05.2023
Dauer: 00:38:31
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Der Medienforscher Manuel Puppis spricht im BredowCast über die Besonderheiten des Mediensystems in der Schweiz.
8,7 Millionen Einwohner hat die Schweiz, ein Zehntel von Deutschland, und sie verteilen sich auf vier Sprachregionen. Wie funktioniert ein Mediensystem in einem solch kleinteiligen sprachlichen Feld? „Grundsätzlich hat jede Sprachregion ihre eigenen Medien. Die Wahrnehmung der verschiedenen Landesteile gegenseitig findet nicht immer stattfindet“, erklärt Manuel Puppis. Als Professor am Departement für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung an der Universität Freiburg in der Schweiz und Vizepräsident der Eidgenössischen Medienkommission kennt er das Mediensystem seiner Heimat sehr genau. „Wenn man vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk und den großen nationalen Medien absieht, ist die Berichterstattung stark auf die eigene Sprachregion begrenzt. Was nicht heißt, dass das Land nicht trotzdem gut funktioniert. Eine nationale Öffentlichkeit, in der alle Themen gleich gut vertreten sind, haben wir aber so nicht.“ Direkte Demokratie Ein weiteres Schweizer Charakteristikum ist das Element der direkten Demokratie: Bürger*innen haben regelmäßig die Möglichkeit, direkt über Gesetzesentwürfe abzustimmen. Auch die Medienpolitik ist davon geprägt. Erst im vergangenen Jahr wurde ein Gesetz über eine zusätzliche Medienförderung abgelehnt, die unter anderem eine direkte Förderung von Onlinemedien vorsah, wie sie in skandinavischen Ländern bereits seit mehreren Jahren existiert. Aktuelle Herausforderungen Als durchaus vergleichbar mit der Situation in den Nachbarländern sieht Puppis die aktuellen Herausforderungen für das Schweizer Mediensystem: die Medienfinanzierung, die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und die Plattformregulierung. „Im Bereich der Plattformregulierung orientiert sich die Schweiz an der EU, die mit dem Digital Services Act (DSA) gerade eine wegweisende Gesetzgebung erlassen hat. Bis die Schweizer Variante in Kraft ist, wird es noch fünf bis sieben Jahre dauern.“
Erschienen: 26.04.2023
Dauer: 00:35:11
Influencer*innen könnte es gelingen, ein nachrichtenfernes Publikum mit politischen Themen zu erreichen. Dies haben Hannah Immler und Dr. Lisa Merten in einer aufwendigen Instagram-Studie herausgefunden.
An Menschen, die Nachrichten in ihrem Alltag eher vermeiden, kommen klassische Medien mit politischen oder anderen gesellschaftlich relevanten Themen kaum heran. Influencer*innen auf Social Media aber könnten es schaffen, eine Brücke zu schlagen. Dies war die anfängliche Idee von Hannah Immler und Dr. Lisa Merten, die beide am HBI zum Thema Mediennutzung forschen. In ihrer Studie haben sie die 465 einflussreichsten Influencer*innen im deutschsprachigen Raum einen Monat lang auf Instagram beobachtet, deren gepostete Inhalte analysiert und deren Publikum hinsichtlich Nachrichtenaffinität kategorisiert. Drei Gruppen von Influencern konnten sie ausmachen und nicht haben das gleiche Potenzial, ein nachrichtenfernes Publikum zu erreichen: „Es gibt jene, die sich oft politisch äußern und ein sehr nachrichtenaffines Publikum haben, zum Beispiel Jan Böhmermann“, erzählt Lisa Merten. „Dann gibt es jene, die nichts zu politischen Themen posten und ein nachrichtenfernes Publikum haben, wie etwa der Fußballer Toni Kroos. Spannend für uns waren jene Influencer, die ein eher nachrichtenarmes Publikum haben, die aber durchaus politische Themen in ihren Postings kommunizieren, wie die Sängerin Mandy Capristo.“ Dieser dritten Gruppe könne es am ehesten gelingen, Nachrichtenmuffel zu erreichen. Interessant seien diese Ergebnisse für Akteur*innen des Nachrichtenjournalismus, die immer wieder vor der Frage stehen, wie sie jene erreichen, die klassischen Medien abgeschworen haben oder ohnehin nie mit ihnen sozialisiert worden sind.
Erschienen: 30.03.2023
Dauer: 00:38:54
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Magdalena Góralska ist Gastwissenschaftlerin am HBI und erforscht, wie digitale Kommunikation medizinische Debatten beeinflusst. Im BredowCast gibt sie einen Einblick in den Zwischenstand ihrer Forschungsarbeit.
Im Rahmen ihres Promotionsprojektes an der Universität Warschau beobachtet Magdalena Góralska den Online-Diskurs rund um die durch Zecken übertragene Krankheit Borreliose. Als kommunikationswissenschaftliches Forschungsobjekt eigne sich Borreliose laut Góralska deshalb so gut, weil sich rund um diese Krankheit einige Mythen ranken. Diese reichen von Uneinigkeit darüber, wie man sich am besten vor Zecken und einer Krankheitsübertragung schützt, über eine lange Liste an Symptomen bis hin zu unterschiedlichsten Behandlungsempfehlungen. In Online-Debatten verschärfen sich diese Unstimmigkeiten und wachsen zu regelrechten Kontroversen heran. In ihrem Mixed-Methods-Approach verbindet sie Befragungen von Borreliose-Betroffenen mit Inhaltsanalysen von Medienberichten zum Thema. Sie hofft, mit ihrer Forschung die Informationslage über diese Krankheit besser verstehen und positiv beeinflussen zu können.
Erschienen: 26.01.2023
Dauer: 00:41:28
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Jan-Hinrik Schmidt spricht im BredowCast über Elon Musks Twitterübernahme und was dies für Wissenschaftler*innen und Medienforschung bedeuteten könnte.
Nur 10 Prozent der Deutschen benutzen Twitter regelmäßig, dennoch schlägt die Übernahme der Plattform durch Unternehmer Elon Musk hohe Wellen. Jan-Hinrik Schmidt erklärt die Aufmerksamkeit, die dieser Unternehmensnachricht aktuell zuteilwird, so: „An Nutzer*innenzahlen gemessen mag Twitter unbedeutend erscheinen, die Plattform hat aber entscheidende Relevanz. Die Plattform verlängert publizistische Öffentlichkeit an einer wesentlichen Stelle. Es bietet Resonanzraum für Themen auf der politischen Agenda und einen Vorfeldraum, der Themen überhaupt erst auf die politische Agenda bringt.“ Twitter in der Wissenschaft Für die Wissenschaft ist Twitter ein besonders interessantes Thema. Zum einen ist die Plattform unter Forschenden ein beliebtes Tool zum Netzwerken und zur Kommunikation ihrer Arbeit, zum anderen ist Twitter auch beliebtes Forschungsobjekt, da sich über Twitter-Daten beispielsweise politische Diskurse erforschen lassen. Die Plattform bietet, im Gegensatz zu den meisten anderen sozialen Netzwerken, der Wissenschaft großflächigen Zugang zu seinem bis ins Jahr 2006 zurückreichende Archiv über alle jemals geposteten Tweets. Mit aus diesem Archiv gewonnen Daten forscht auch das HBI in einigen Projekten. Wie der neue Twitterchef diesen „Academic Access“ handhaben wird, ist unklar. Dass er ihn komplett schließen würde, kann sich Jan-Hinrik Schmidt nicht vorstellen. „Plausibel erscheint mir, dass er die Wissenschaft zur Kasse bittet und den Zugang zum Archiv nur gegen Bezahlung gewährt.“ Twitter-Alternative Mastodon Die in Deutschland gegründete Plattform Mastodon hat es plötzlich vielen angetan und wird als „Twitter-Alternative“ gehandelt. Auch Jan-Hinrik Schmidt ist seit Musks Twitterübernahme dort aktiv. Für die Wissenschaft und ihre Kommunikation werde relevant sein, wo die Zielgruppen sind, die sie erreichen möchte. „Sollte es tatsächlich zu Massenabwanderungen zu Mastodon kommen, ist es natürlich sinnvoll, als Wissenschafler*in bzw. wissenschaftliche Institution, auch dorthin zu ziehen.“
Erschienen: 25.11.2022
Dauer: 00:43:27
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Jan-Hinrik Schmidt spricht im BredowCast über Elon Musks Twitterübernahme und was dies für Wissenschafler*innen und Medienforschung bedeuteten könnte.
Nur 10 Prozent der Deutschen benutzen Twitter regelmäßig, dennoch schlägt die Übernahme der Plattform durch Unternehmer Elon Musk hohe Wellen. Jan-Hinrik Schmidt erklärt die Aufmerksamkeit, die dieser Unternehmensnachricht aktuell zuteilwird, so: „An Nutzer*innenzahlen gemessen mag Twitter unbedeutend erscheinen, die Plattform hat aber entscheidende Relevanz. Die Plattform verlängert publizistische Öffentlichkeit an einer wesentlichen Stelle. Es bietet Resonanzraum für Themen auf der politischen Agenda und einen Vorfeldraum, der Themen überhaupt erst auf die politische Agenda bringt.“ Twitter in der Wissenschaft Für die Wissenschaft ist Twitter ein besonders interessantes Thema. Zum einen ist die Plattform unter Forschenden ein beliebtes Tool zum Netzwerken und zur Kommunikation ihrer Arbeit, zum anderen ist Twitter auch beliebtes Forschungsobjekt, da sich über Twitter-Daten beispielsweise politische Diskurse erforschen lassen. Die Plattform bietet, im Gegensatz zu den meisten anderen sozialen Netzwerken, der Wissenschaft großflächigen Zugang zu seinem bis ins Jahr 2006 zurückreichende Archiv über alle jemals geposteten Tweets. Mit aus diesem Archiv gewonnen Daten forscht auch das HBI in einigen Projekten. Wie der neue Twitterchef diesen „Academic Access“ handhaben wird, ist unklar. Dass er ihn komplett schließen würde, kann sich Jan-Hinrik Schmidt nicht vorstellen. „Plausibel erscheint mir, dass er die Wissenschaft zur Kasse bittet und den Zugang zum Archiv nur gegen Bezahlung gewährt.“ Twitter-Alternative Mastodon Die in Deutschland gegründete Plattform Mastodon hat es plötzlich vielen angetan und wird als „Twitter-Alternative“ gehandelt. Auch Jan-Hinrik Schmidt ist seit Musks Twitterübernahme dort aktiv. Für die Wissenschaft und ihre Kommunikation werde relevant sein, wo die Zielgruppen sind, die sie erreichen möchte. „Sollte es tatsächlich zu Massenabwanderungen zu Mastodon kommen, ist es natürlich sinnvoll, als Wissenschafler*in bzw. wissenschaftliche Institution, auch dorthin zu ziehen.“
Erschienen: 16.11.2022
Dauer: 00:43:27
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Leonie Wunderlich weiß, wie Jugendliche und junge Erwachsene es mit Influencern halten. Im BredowCast erzählt sie über eine Studie, die junge Menschen zu ihren Nutzungsmotiven befragte.
Was ein „Influencer“ eigentlich ist, darüber ist die Wissenschaft noch nicht einig. Leonie Wunderlich wollte in der „Use-the-News“-Studie u.a. herausfinden, wie Jugendliche selbst den Begriff definieren „Die Perspektive von Jugendlichen und jungen Erwachsenen hat einfach gefehlt im wissenschaftlichen Diskurs über diese Personengruppe“, sagt Leonie Wunderlich. Influender, so das Ergebnis der Studie, seien in ihren Augen vor allem jene Social-Media-Persönlichkeiten, die mit Werbung ihr Geld verdienten. Vier Typen der „Social Media Content Creators” In der qualitativen Studie ging es aber nicht nur um Influencer, die nur eine Untergruppe sogenannter „Social Media Content Creators“ darstellen, die Inhalte auf Social Media zur Verfügung stellen. Auch die Angebote vieler weiterer Aktuerinnen und Akteure im Netz erfüllen bestimmte Bedürfnisse von jungen Leuten und dienen auch zur politischen Meinungsbildung. Vier verschiedene Typen von „Social Media Content Creators“ haben die Befragten genannt, bei denen mal eine oder mehrere Personen im Fokus stehen, mal Themen bzw. Inhalte. Nutzungsmotive Welche Motive haben Jugendliche und junge Erwachsene haben, bestimmten Social-Media-Persönlichkeiten zu folgen? Sechs verschiedene Motive konnte die Studie ausmachen. Sie reichen von Unterhaltung über das Herstellen sozialer Nähe bis zum Vermitteln von Inspiration, Orientierung und Wissen oder der Befähigung, mitreden zu können. Junge Erwachsene mit vorrangigem Bedürfnis nach Wissen wenden sich stärker Inhalte-fokussierten Angeboten zu, während Jugendliche eher zu Personen-fokussierten Kanälen neigen, von denen sie sich Identifikation und Orientierung versprechen. Die befragten Jugendlichen sehen Influencer durchaus kritisch, etwa wenn es um die Frage der Unabhängigkeit bei werbefinanzierten Anbietern geht oder um die Kompetenz, wenn sich reichweitenstarke Social-Media-Persönlichkeiten zu komplexen politischen Sachverhalten äußern.
Erschienen: 27.10.2022
Dauer: 00:37:44
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Louise Sprengelmeyer und Julius Reimer erforschen, welche Beziehungen Journalist*innen zu ihrem Publikum pflegen. Sie erkennen elf verschiedene Beziehungstypen.
Das Verhältnis von Journalismus zu seinem Publikum hat sich durch die digitalen Medien sehr verändert. Während Journalisten und andere Medienschaffende ihr Publikum einst noch als anonyme Blackbox wahrnahmen, in die sie hineinsendeten und aus der selten etwas zurückkam, hat das Publikum heute ein klareres Gesicht. Auf diversen Plattformen sind Journalist*innen in oft permanentem Austausch mit ihren Leser*innen, Hörer*innen oder Zuschauer*innen, die in Echtzeit kommentieren, loben oder anprangern und dadurch Einfluss nehmen auf die Berichterstattung. „Noch ist nicht ausgehandelt, was der Journalismus in dieser Beziehungspflege leisten kann, soll oder muss“, sagt der Journalismusforscher Julius Reimer. „Muss er sich mit dem Publikumsfeedback in all seiner Fülle auseinandersetzen? Muss er die Anschlusskommunikation an journalistische Beiträge mitmoderieren oder sie sogar anstoßen?“ Forschung über Journalismus-Publikums-Beziehungen Gerade deshalb sei es auch so spannend, dass die Forschung sich der Journalismus-Publikums-Beziehung annimmt. „In ihrer Betrachtungsweise ist sie differenzierter geworden“, sagt Louise Sprengelmeyer, „auch deshalb, weil heute ganz einfach die Möglichkeit besteht, das Publikum in seiner Vielfältigkeit und seinen unterschiedlichen Erwartungen überhaupt wahrzunehmen“. In ihrer Journalismus-Publikums-Studie haben Louise Sprengelmeyer und Julius Reimer qualitative Interviews mit über fünfzig Journalist*innen aus unterschiedlichen Mediengattungen und Fachrichtungen in Deutschland geführt und sie über ihre Erfahrungen im Umgang mit dem eigenen Publikum befragt. Elf verschiedene Beziehungstypen konnten sie unterscheiden.
Erschienen: 08.09.2022
Dauer: 00:40:23
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Anne Kaun, Professorin an der Universität Södertörn und Gastforscherin am HBI, erforscht, wie Medien im Gefängnis funktionieren
Orte zu untersuchen, an denen es nur einen sehr eingeschränkten Zugang zu Medien gibt, war Anne Kauns anfängliche Forschungsidee. Schnell landete sie mit dieser Idee beim Ort Gefängnis. Nicht nur klassische Medien, wie Zeitung, Radio, Fernsehen und das Internet, nahm sie dort in den Blick, sondern auch etwas, was man im ersten Moment vielleicht gar nicht als Medium begreift: den Raum selbst. Architektur als Medium „Die Art wie Räume strukturiert sind, kann entweder Kommunikation ermöglichen oder sie unterbinden. In Gefängnissen wird dies sehr deutlich“, sagt Anne Kaun. In den letzten hundert Jahren haben Gefängnisse in dieser Hinsicht jedoch eine Wandlung erfahren. Während man Ende des 19. Jahrhunderts noch auf Isolation als Teil der Strafmaßnahme setzte und Insass*innen weitestgehend von der Außenwelt und voneinander fernhielt, gibt es heute meist eine weitaus „kommunikativere“ Gefängnisarchitektur mit Gemeinschaftsräumen sowie Zugang zu Medien wie Fernsehen, Tonträgern oder Literatur. Digitalisierung In US-amerikanischen Gefängnissen sind digitale Medien wie Tablets mittlerweile verbreitet. In Europa ist man diesbezüglich noch skeptisch. Digitalisierung bietet zwar unmittelbare Vorteile für Insass*innen, jedoch hat sie auch negative Auswirkungen. Es gebe Vollzugseinrichtungen in den USA, weiß Anne Kaun zu berichten, in denen Videotelefonie die klassischen Besuchszeiten nunmehr vollständig ersetzt hätten – aus Kostengründen. Spiegel der Gesellschaft Neuerungen in Gefängnisinfrastrukturen lösen oft moralische Debatten innerhalb der Gesellschaft aus. Zum Beispiel darüber, wann eine Strafe „Strafe genug“ sei. „Gesellschaftliche Diskurse werden im Gefängniskontext auf die Spitze getrieben“, sagt Anna Kaun. „Sie sind daher ein Spiegel unserer Gesellschaft.“
Erschienen: 03.08.2022
Dauer: 00:44:28
Barbara Christophe und Hans-Ulrich Wagner beschäftigen sich im Leibniz-Forschungsverbund „Wert der Vergangenheit“ damit, wie Menschen Bezüge zur Vergangenheit herstellen. Sie beobachten dazu den Geschichtsunterricht in der Schule, aber auch Memes.
Barbara Christophe und Hans-Ulrich Wagner beschäftigen sich im Leibniz-Forschungsverbund „Wert der Vergangenheit“ damit, wie Menschen Bezüge zur Vergangenheit herstellen. Sie beobachten dazu den Geschichtsunterricht in der Schule, aber auch Memes und Social-Media-Projekte. „Praktiken der Aneignung von Vergangenheiten“ – hinter dieser sperrigen Formulierung steckt ein durchdachtes Konzept. Der Begriff der Aneignung lasse sich besonders gut in Bezug auf die Auseinandersetzung mit Vergangenheit anwenden, sagt Dr. habil. Barbara Christophe vom Leibniz-Institut für Bildungsmedien. „Er impliziert eine Begegnung zwischen dem Eigenen und dem Fremden. Man nimmt etwas zunächst Fremdes und passt es der eigenen Lebenswirklichkeit an. Dadurch verändert man nicht nur das Fremde, sondern natürlich auch sich selbst.“ Genau dies geschehe nämlich bei der Bezugnahme auf Vergangenheit. Ähnlich einer Reise in ein fremdes Land muss der- oder diejenige, der/die sich mit Vergangenheit auseinandersetzt, die jeweiligen Werthorizonte der Menschen – hier: in der Vergangenheit – verstehen. Der Blick auf die Vergangenheit richtet sich jedoch immer von einem konkreten Standpunkt in der Gegenwart aus. Ein spezieller Fokus entsteht. „Darum ist der Begriff ‚Aneignung‘ so spannend“, sagt Barbara Christophe. „Man kann fragen: Welche Aspekte der Vergangenheit eignet sich jemand an und warum? Worauf werden bei der Auseinandersetzung mit Vergangenheit die Akzente gelegt?“ Diesen Fragen ist Christophe in einer Feldstudie im Geschichtsunterricht verschiedener Berliner Schulklassen nachgegangen und konnte dort beobachten, dass die unterschiedlichen Standpunkte, von denen aus die Schüler*innen auf beispielsweise den Kalten Krieg blicken, von den Lehrkräften nicht immer mitgedacht wird. „Was für eine Geschichtslehrerin selbstverständlich ist, muss für einen fünfzehnjährigen Schüler noch lange nicht selbstverständlich sein.“ Aneignung von Vergangenheiten in Online-Kommunikation „Vergangenheit hat Konjunktur und wir beobachten regelmäßig, wie Menschen sich auf sie beziehen“, sagt Dr. Hans-Ulrich Wagner. Als Beispiel nennt er etwa den Umgang in Sozialen Medien mit „Jana aus Kassel“, einer jungen Frau, die sich auf einer Demonstration gegen Corona-Maßnahmen mit der Widerstandskämpferin Sophie Scholl verglich. Dieser historische Vergleich wurde im Internet spielerisch aufgegriffen. Innerhalb kürzester Zeit kursierten eine Vielzahl an Memes die „Jana aus Kassel“ und ihre eigenwillige Bezugnahme auf eine historische Person ironisch konterkarierten. Eine spezielle Form der „Aneignung“ sieht Hans-Ulrich Wagner im vieldiskutierten, öffentlich-rechtlichen Instagram-Projekt „Ich bin Sophie Scholl“. „Hier sehen wir das Element der Immersion“. Die historische Person Sophie Scholl wird mit moderner Technologie ausgestattet und begleitet, ähnlich heutigen Influencer*innen, ihren Alltag in der Nazi-Zeit.
Erschienen: 07.07.2022
Dauer: 00:47:21
Weitere Informationen zur Episode "Praktiken der Aneignung von Vergangenheiten"