Feuilleton von unten
Wir diskutieren über das, was uns interessiert: Wie funktioniert Gesellschaft? Was heißt es heute, politisch zu sein? Welches Wissen ordnet unsere Welt? „Feuilleton von unten“ nennen wir das. Das heißt für uns nicht Kulturrundschau und Rezension – Feuilleton verstehen wir als ein öffentliches Nachdenken über Gesellschaft im weitesten Sinne. Dabei versuchen wir, Perspektiven aus den Geistes- und Sozialwissenschaften zeitdiagnostisch produktiv zu machen.
Erschienen: 04.06.2025
Dauer: 01:16:15
Weitere Informationen zur Episode "Universalismus von unten - mit Jule Govrin"
Seit 2018 versuchen wir, Gegenwart und Gesellschaft im ausführlichen Gespräch zu verstehen. Die hundertste Folge nehmen wir zum Anlass, über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des Podcasts zu sprechen. Mit gemischten Gefühlen schauen wir zurück auf unsere locker experimentelle Anfangsphase, in der wir recht freihändig zusammen Thesen entwickelten. Wir lassen die Entwicklung des Formats Revue passieren, versuchen einige thematische Linien nachzuzeichnen und erinnern an ein paar Sendungen, die uns besonders im Gedächtnis geblieben sind. Dabei stellen wir uns die großen Fragen: Worum geht es eigentlich im Neuen Berlin? Sind wir ein politisches Format? Wie sollen wir das Format in Zukunft weiterentwickeln? Eine Zwischenbilanz – und ein Ausblick auf das, was kommt.
Erschienen: 09.05.2025
Dauer: 01:24:07
Weitere Informationen zur Episode "100 Jahre Das Neue Berlin"
Erschienen: 10.03.2025
Dauer: 01:29:42
Weitere Informationen zur Episode "Kirche im Umbruch – mit Philipp Greifenstein"
Rechtspopulisten suchen, den Parlamentarismus zu delegitimieren und in die Mitte der Gesellschaft vorzudringen. Dies tun sie innerhalb und außerhalb politischer Institutionen. Immer mehr gesellschaftliche Akteure fragen sich daher, wie sie darauf reagieren sollen – darunter auch Unternehmen. Spotify hat 2024 eine Playlist zur EU-Wahl erstellt und seine Nutzer dazu aufgefordert, ihre Stimme zu erheben. Einer der reichsten Deutschen, Reinhold Würth, hat seine 25.000 Angestellten sogar direkt dazu aufgerufen, nicht die AfD zu wählen. Was bewegt Unternehmen dazu, politische Akteure zu werden? Ist es reiner Eigennutz oder ein echter Glaube an die Demokratie? Benedikt Kapteina hat in den vergangenen Jahren zu solchen Fragen geforscht. Wir sprechen mit ihm über die gesellschaftlichen Voraussetzungen dafür, die Aktionsformen, die Verbreitung in der Unternehmenswelt und die innerbetrieblichen Erfahrungen damit. Und wir fragen uns, welche Antriebe hinter solchen Bemühungen stecken: Sind sie Produkt einer stabilen Zivilgesellschaft bis in die Chefetage hinein? Müssen Unternehmen notgedrungen politische Konflikte mit austragen? Oder investieren Unternehmen auch in die demokratischen Infrastrukturen ihrer Region, um den eigenen Standort zu sichern? Und überhaupt: Welche Rolle spielt die innerbetriebliche Demokratie und gewerkschaftliche Einbindung für den privatwirtschaftlichen Kampf gegen Rechts?
Erschienen: 10.02.2025
Dauer: 01:23:58
Weitere Informationen zur Episode "Unternehmen gegen Rechts – mit Benedikt Kapteina"
Wenn wir über Kunst streiten, streiten wir über alles: Wer sind wir? Was ist schön? Was ist gut? Wer hat Ahnung, und wer ist ein ahnungsloser Idiot? Was verdient Steuergelder, und was überlassen wir dem Markt? Wer gehört dazu, und wer muss draußen bleiben? Kein Wunder, dass solche Debatten oft hitzig werden – manchmal sogar tödlich. Unser Gast Johannes Franzen hat diesen Kontroversen ein ganzes Buch gewidmet. Dabei richtet er seinen Blick auf die alltägliche Perspektive des Kunstgenusses, von der Serie bis zur Theaterbühne. Entgegen der These eines allgemeinen Bedeutungsverlustes entdeckt er ein lebendiges, vielfältiges Kulturleben. Kunst erscheint als allgegenwärtiges Gut – und zugleich als gesellschaftliches Streitobjekt von höchster Relevanz. In der Sendung widmen wir uns dem historischen Zusammenhang zwischen modernem Kunstverständnis und dem Statuskampf der bürgerlichen Gesellschaft – einem Kampf, der von Anfang an geprägt war von Disziplinierung, Ausgrenzung und Gewalt. Wir sprechen über die Dynamik und Ambivalenz hochkultureller Leitbilder und die bewährten Strategien kultureller Eliten. Zudem werfen wir einen Blick auf die Rolle der Kulturbildung in der Schule und das alte Ideal der autonomen Kunst mit all seinen Widersprüchen. Kunsterfahrung zeigt sich dabei als durchweg zwiespältiges Phänomen: lustvoll, schön und kontemplativ, aber ebenso schambehaftet, langweilig, fremdbestimmt und voller Argwohn.
Erschienen: 16.12.2024
Dauer: 01:36:19
Weitere Informationen zur Episode "Warum streiten wir über Kunst? – mit Johannes Franzen"
Gewaltige Aufgaben stehen für Deutschland in den kommenden Jahrzehnten an. Investitionen in die Infrastruktur, Verkehr und Bildung, den grünen Umbau der Wirtschaft, die Digitalisierung. Sämtliche Wirtschaftsinstitute, Verbände, auch der IWF sind sich einig, dass Deutschland erheblich mehr investieren muss, um all das zu schaffen. Allein, das Geld ist nicht da. Der Staatshaushalt soll ausgeglichen sein. Die Schuldenbremse muss eingehalten werden. Was steckt hinter dieser Selbstsabotage? Und wie geht es anders? Dem ist Philippa Sigl-Glöckner in ihrem Buch Gutes Geld nachgegangen. Sie ist ist Ökonomin und Gründungsdirektorin des Dezernats Zukunft, einem Thinktank zu Staatsfinanzen. Wir sprechen mit ihr über die historischen Zufälle, die zu den heutigen Schuldenregeln geführt haben und auf obskuren Excel-Tabellen in den Tiefen der EU-Bürokratie ihr Unwesen führen. Schuldenregeln, die festlegen, wie hoch die Arbeitslosigkeit liegen muss und die jede progressive Gestaltung der Gesellschaft im Keim ersticken. Im Gespräch zeigt Sigl-Glöckner auf, wie sich die Staatsfinanzen auch ohne Grundgesetzreform politisch gestalten lassen. Für sie ist Finanzpolitik eine Frage demokratischer Selbstbestimmung.
Erschienen: 14.11.2024
Dauer: 01:17:19
Ob bei Amazon, im Taxigewerbe oder in der Pflege: An vielen Orten ist der Arbeitsmarkt nicht nur in Oben und Unten geteilt, sondern auch danach, wer Migrationsgeschichte hat oder nicht. Manche Branchen funktionieren nur durch Menschen ohne deutschen Pass. Oft sind die Arbeitsbedingungen hier schlecht und der Lohn gering. Und oft bleibt die Arbeit unsichtbar: in abgelegenden Werkshallen, im Dunkel der Nachtschicht oder in der Grauzone des Arbeitsrechts. In der Sendung sprechen wir mit Peter Birke vom Soziologischen Forschungsinstitut in Göttingen. Er untersucht er seit vielen Jahren den Zusammenhang von Arbeit und Migration, insbesondere in der Fleischindustrie und im Versandhandel. Er erklärt uns die komplexe Struktur eines segmentierten Arbeitsmarktes, den historischen Wandel des deutschen Migrationsregimes und die Widersprüche kapitalistischer Verwertungsdynamiken. Birke beschreibt die Lebens- und Arbeitsverhältnisse von Migrant*innen in einem Spannungsfeld von rechtlicher Informalität, komplizierten Anwerbeketten, schwierigem Wohnmarkt und hartem Arbeitsalltag. Widerstand wird auf unterschiedliche Weise geleistet: Manchmal wird im wilden Streik zeitweise die Arbeit verweigert oder sogar innerbetrieblich mehr Lohn ausgehandelt. Sofern man mobil genug ist, kann man zum besser bezahlten Standort weiterziehen. Oft haben die Arbeitenden ein sehr klares Bewusstsein davon, dass sie einen Knochenjob machen. Dieser erscheint ihnen aber innerhalb eigener biografischer Projekte und längerfristiger Ziele als – zeitweise – alternativlos.
Erschienen: 14.10.2024
Dauer: 01:14:51
Weitere Informationen zur Episode "Migrantische Arbeit mit Peter Birke"
Hintergründe für den Rechtsruck in westlichen Ländern gibt es viele: wirtschaftliche Transformation, Ab- wie Zuwanderung, fehlende staatliche Daseinsvorsorge. Hört man rechten Populisten zu, scheint all das aber mit besonderer Bedeutung aufgeladen zu sein. Wirtschaftliche Transformation wird zum Irrsinn einer "grünen Elite". Zuwanderung zum "großen Austausch". Die Regierung zum "Totengräber der Nation". Zwei jüngst erschienene Arbeiten setzen sich mit dieser Sinngebung auseinander: Felix Schilks Erzählgemeinschaft der Neuen Rechten und Florian Spissingers Gefühlsgemeinschaft der AfD. Schilk analysiert in seiner Arbeit anhand von Zeitschriften die immer wiederkehrenden Grundstrukturen konservativer und rechter Erzählungen. Spissinger untersucht an Stammtischen und an Wahlständen, welches positive emotionale Angebot die AfD ihren Anhängern machen kann. Im Gespräch erkunden wir die unauflöslichen Mehrdeutigkeiten und Widersprüche einer Weltanschauung: mal revolutionär, mal bieder, mal schimpfend, mal zum Wohlfühlen, mal apokalyptisch, mal als Kraft des "gesunden Menschensverstandes" und der "natürlichen Ordnung der Dinge". Schließlich diskutieren wir über den richtigen Umgang mit der Rechten und was wehrhafte Demokratie eigentlich bedeuten soll. Wir lernen, dass es keine Mechanismen gibt, die einen Rechtsruck notwendig machen. Es herrscht – wie so oft – radikale historische Offenheit: Nichts ist neu, nichts ist vorbei, alles ist möglich!
Erschienen: 30.08.2024
Dauer: 01:44:15
Wer wahnsinnig genug ist, sich am politischen Diskurs in den sozialen Medien zu beteiligen, begegnet neuen Formen des politischen Sprechens: Aktivisten, die sich staatstragend äußern, als wären sie Bundespräsidenten, verbeamtete Wissenschaftler, die die Revolutionen fordern oder auch subversive Komiker, die ganz unironisch Werbung für die deutsche Polizei machen. Oder doch ironisch? In der politischen Kommunikation scheinen klassische Differenzen zu verschwimmen: Es verbinden sich Affirmatives und Kritisches, rhetorisch Gesetztes und Wildes, Flapsiges und Bitterernstes. Wir haben es mit neuen, manchmal verwirrenden Paradoxen politischer Kommunikation zu tun. Astrid Séville und Julian Müller setzen sich mit dieser neuen kommunikativen Unübersichtlichkeit auseinander. Politische Redeweisen, so ihre These, müssen heute ganz unterschiedliche Erwartungen auf oft paradoxe Weise miteinander verbinden. Wir sprechen mit ihnen über Versuche, Autorität in einer autoritätsskeptischen Gesellschaft zu beanspruchen, den journalistischen Meinungsmarkt und die Rolle der Sozialwissenschaften dabei.
Erschienen: 09.08.2024
Dauer: 01:26:36
Ob Eltern oder Kinderlose, jeder hat eine starke Meinung, wie eine gute Erziehung auszusehen hat. Schnell sind starke Werturteile bei der Hand: Diese und jene Eltern seien zu streng oder zu nachgiebig, zu ambitionslos oder zu leistungsorientiert. Die einen mahnen vor den verweichlichten Helikoptereltern, die anderen sehen eher in autoritärer Erziehung das Wohl der Kinder gefährdet. Und jede Generation kann, zu recht oder zu unrecht, ihren Eltern vorwerfen, das meiste falsch gemacht zu haben. Aber was lässt sich allgemein über eine gute Kindheit sagen? Ist sie nur Ansichtssache und Privatangelegenheit? Mit unseren Gästen Johannes Drerup und Gottfried Schweiger sprechen wir darüber, was sich aus philosophischer Perspektive über eine gute Kindheit sagen lässt. Den Autoren geht es dabei nicht um die Beschreibung einer idealen und bestmöglichen Kindheit, sondern um einen Minimalstandard für eine hinreichend gute Kindheit, die in verschiedenen Lebensformen verwirklicht werden kann. In der Sendung fragen wir nach der Bedeutung kindlicher Autonomie und kindlicher Abhängigkeit. Wir sprechen über demokratische Erziehung und diskutieren die Verantwortung des Staates gegenüber den Kindheiten seiner Bürger*innen. Angesichts mancher Fundamentalkritik an historisch gewachsenen Einrichtungen wie der Familie, der Schule und der Kindheit selbst plädieren Schweiger und Drerup für einen vorsichtigen Reformismus, der institutionelle Vorteile und Leistungen anerkennt, Missstände wie Armut, Ungleichheit und Gewalt aber klar benennt.
Erschienen: 24.06.2024
Dauer: 01:32:03